FBI-Chef J. Edgar Hoover - Er war auch ein Chamäleon (2024)

  1. Startseite
  2. Kultur
  3. Gesellschaft

Stand:

Von: Arno Widmann

KommentareDrucken

FBI-Chef J. Edgar Hoover - Er war auch ein Chamäleon (1)

Ein Blick auf J. Edgar Hoover, den jahrzehntelangen Chef des FBI.

Am 10. Mai 1924 wurde John Edgar Hoover (1895 – 1972) zum „acting director“ des Bureau of Investigation, dessen „assistant director“ er seit 1921 gewesen war. Am 10. Dezember 1924 wurde dann aus dem „acting director“ der „director“. Das blieb er bis zu seinem Tode 1972. Acht US-Präsidenten – vier Demokraten, vier Republikaner – erlebte er. Prohibition, Weltwirtschaftskrise, organisiertes Verbrechen, Zweiter Weltkrieg, Kommunistenjagd, Bürgerrechtsbewegung. Und immer mittendrin das FBI und an seiner Spitze J. Edgar Hoover.

Es gibt zwei Bücher, an denen man nicht vorbeikommt, wenn man sich mit dem FBI und J. Edgar Hoover beschäftigen möchte. Sie sind die wesentlichen Quellen dieser kurzen Erinnerung. Sie seien jedem empfohlen, der mehr wissen möchte:

Tim Weiner: FBI. Die wahre Geschichte einer legendären Organisation. S.Fischer, Frankfurt am Main 2012.

Beverly Gage: G-Man: J. Edgar Hoover and the making of the American Century, Viking 2022.

Als Hoover vor einhundert Jahren berufen wurde, da war das Bureau of Investigation – Federal Bureau of Investigation hieß es erst seit Juli 1935 – in einem desaströsen Zustand. Hoover war der sechste Chef der seit 1908 bestehenden Institution. Sein Vorgänger hatte wegen Korruption gehen müssen. Er war nicht der erste und nicht der einzige.

Unter Hoover änderte sich die Ausrichtung der Institution radikal. Die Angestellten des FBI waren keine Pistoleros mehr, sondern Juristen oder Manager. Sie waren junge, schlanke, alerte Bürokraten. Das FBI war eine Behörde, nicht die Kampftruppe wechselnder Politiker. Das jedenfalls war das neue Image. Die Herren trugen ordentliche Anzüge, saubere Schuhe und kurz geschnittene Haare. Hoover achtete penibel auch darauf. Er überschüttete die Angestellten seiner Behörde mit Anweisungen, die sich nicht nur mit ihrer Arbeit, sondern mit ihrer gesamten Lebensführung beschäftigten.

Hoover verbrachte sein gesamtes Leben in Washington. Er war aufgewachsen in einer Gesellschaft, die Wert darauf legte, weiß zu sein. Afroamerikaner waren nicht gleichberechtigt. Sie gehörten zum Personal. Genau das machte er dann auch beim FBI. Als er dort seinen Dienst antrat, gab es auch Afroamerikaner unter den Detektiven. Das änderte sich schnell. Hoovers neue Anforderungen an die Mitarbeiter veränderten nicht nur deren soziales, sondern auch ihr ethnisches Profil.

Afroamerikanische Menschen gab es beim Reinigungspersonal und in den Küchen. Auf die Beschäftigung von Asiaten, Juden und Katholiken legte Hoover keinen Wert. Die Detektive entsprachen alle dem Bild des jungen Amerikaners, wie ich ihn als Kind zuerst gesehen hatte, als zwei Männer vor unserer Wohnungstür standen und uns die Bibel erklären wollten.

Der Rassismus hat immer auch eine komische Seite. Sie hängt unauflöslich mit seiner Dummheit zusammen. Der Glaube, man würde schlauer dadurch, dass man sich vor dem Rest der Welt, ihren Ansichten und Menschen verschließt, ist exakt jener Hochmut, der vor dem Fall kommt. Der allerdings kann sich über Jahrzehnte hinziehen. J. Edgar Hoover ist da ein abschreckendes Beispiel. Ersten nationalen Ruhm hatte er errungen, als er im Dezember 1919 die Ausweisung von 249 angeblichen Anarchistinnen und Anarchisten – darunter die berühmte Emma Goldman – verfügte. Der 24-jährige Chef der neu eingerichteten „radical division“ des Justizministeriums packte die ausländischen Anarchist:innen, Sozialist:innen und Kommunist:innen auf ein Schiff und deportierte sie nach Europa. Die junge Sowjetunion folgte Hoovers Beispiel. Im August 1922 verfrachte sie mehr als 160 Kritiker:innen der Sowjetunion mit ihren Familien per Schiff nach Westeuropa.

Am 8. März 1968 hatte J. Edgar Hoover einen Bericht vorgelegt, in dem er Martin Luther King als die größte Gefahr für den Bestand der USA betrachtete. King war dabei, so seine Analyse, die einander bekämpfenden Fraktionen der Bürgerrechts- und der Schwarzenbewegung zu vereinen. King konnte – wie vielleicht auch Stokely Carmichael und Elijah Muhammad, der Chef der Nation of Islam – zu einem „Messias“ werden. So die Analyse des seinen christlichen Glauben gerne propagierenden J. Edgar Hoover. Das musste mit allen Mitteln verhindert werden. Es wäre verwunderlich gewesen, hätte damals niemand, als am 4. April 1968 King ermordet wurde, auf die Möglichkeit einer Verwicklung des FBI hingewiesen. Die von dem FBI durchgeführte Untersuchung erblickte in James Earl Ray den Attentäter. Der Hergang der Ermordung Kings ist bis heute heftig umstritten.Wie die vieler anderer Attentate auch.

Zahllose der vom FBI begangenen Verbrechen sind inzwischen aufgeklärt. Es gibt wenig daran zu deuteln. Wer sich die Geschichte des FBI ansieht, wird leicht zu der Auffassung kommen, die Organisation habe – bilanziert man ihre Arbeit ehrlich – den USA eher geschadet als genutzt. Ganz sicher aber war J. Edgar Hoover eine größere Bedrohung für die USA als Martin Luther King. Auf jeden Fall war er ungleich viel mächtiger als der Führer des gewaltlosen Widerstandes gegen die Rassendiskriminierung und den Vietnamkrieg. Und er war es Jahrzehnte lang, starb schlafend in seinem Bett.

Hoover war der Held des rassistischen Amerika. Er war ein Meister der neuen Kunst der Public Relations. Der Aufstieg Amerikas war sein Aufstieg. Es wäre freilich ein Irrtum, man glaubte dem ihm zugesprochenen Spruch: Es sei ihm gleich, wer unter ihm Präsident wäre. Sein Erfolg war nicht nur der der Durchsetzungskraft. Es war auch seine Fähigkeit, sich anzupassen, an die wechselnden Lagen, an die sich verändernden Anforderungen. Er war auch ein Chamäleon.

Und er hatte Glück. So sehr ihm die Prohibition beim Ausbau seiner Behörde half, so wichtig war es doch auch, dass deren direkte Bekämpfung nicht seine Aufgabe war. Seine lebenslange auch öffentlich vorgeführte Freundschaft mit Clyde Tolson (1900 – 1975) hat – soweit ich sehe – niemals bewirkt, dass die Frage nach Hoovers sexueller Orientierung gestellt wurde.

In den dreißiger Jahren traten er und Tolson bei zahllosen Veranstaltungen gemeinsam auf. Wie ein Paar. Hoover hatte jede Menge Dossiers über Intellektuelle, über Prominente und vor allem aber über linke und rechte Politiker. In ihnen spielten Politisches und Privates wichtige Rollen. Das war sicher eine Basis seiner Macht. Aber hatte niemand auch Dossiers über ihn?

Auch interessant

Kommentare

FBI-Chef J. Edgar Hoover - Er war auch ein Chamäleon (2024)

References

Top Articles
Trinidad Curry Channa and Aloo (Curry Chickpeas and Potato) Recipe - We Trini Food
Homemade Taco Seasoning Mix Recipe
Blackstone Launchpad Ucf
6 Underground movie review & film summary (2019) | Roger Ebert
Craigslist Greenville Pets Free
Mileage To Walmart
Colossians 2 Amplified
Pa Pdmp Log In
Varsity Competition Results 2022
Jordanbush Only Fans
El Puerto Harrisonville Mo Menu
Sauce 423405
Best Charter Schools Tampa
1V1.Lol Pizza Edition
Tyreek Hill admits some regrets but calls for officer who restrained him to be fired | CNN
Tractorhouse Farm Equipment
P.o. Box 30924 Salt Lake City Ut
Kind Farms Reserve Medical And Recreational Cannabis Photos
Dovob222
Post Crescent Obituary
Myzynrewards
Jinx Bl Chapter 26
H. P. Lovecraft - Deutsche Lovecraft Gesellschaft
O'reilly's Eastman Georgia
Winta Zesu Net Worth
Car Stunt Games Unblocked
Haverhill, MA Obituaries | Driscoll Funeral Home and Cremation Service
Money Network Pay Stub Portal 711
Hewn New Bedford
Crimson Draughts.
Www.lookmovie.og
100X35 Puerto Rico Meaning
What Is The Solution To The Equation Below Mc010-1.Jpg
Bridger Elementary Logan
Adventhealth Employee Handbook 2022
Seattle Rpz
Princeton Mn Snow Totals
Nz Herald Obituary Notices
Alger Grade Ohm
Acceltrax Sycamore Services
2015 | Ducati 1299 Panigale S Test
Amariah Morales Snapchat
Travelvids October 2022
New employee orientation | WSDOT
Ms Trigger Happy Twitter
Ascensionpress Com Login
Vidant My Chart Login
Ark Extinction Element Vein
Mpbn Schedule
What Time Does The Chase Bank Close On Saturday
Stpeach Telegram
Yahoo Sports Pga Leaderboard
Latest Posts
Article information

Author: Annamae Dooley

Last Updated:

Views: 5880

Rating: 4.4 / 5 (45 voted)

Reviews: 92% of readers found this page helpful

Author information

Name: Annamae Dooley

Birthday: 2001-07-26

Address: 9687 Tambra Meadow, Bradleyhaven, TN 53219

Phone: +9316045904039

Job: Future Coordinator

Hobby: Archery, Couponing, Poi, Kite flying, Knitting, Rappelling, Baseball

Introduction: My name is Annamae Dooley, I am a witty, quaint, lovely, clever, rich, sparkling, powerful person who loves writing and wants to share my knowledge and understanding with you.